Eurogeld und Eurosprache:Die Idee der gemeinsamen Währung ist eng mit dem Gedanken einer gemeinsamen europäischen Sprache verbunden
Inhalt
Einleitung
1. Victor Hugo und die "absurde Vielfalt der Währungen"
2. Die erste neutrale internationale Währung: der Speso (1907)
3. Josef Zauner - Pionier des Euro und der Europäischen Union
4. Von der gemeinsamen Währung zur gemeinsamen Sprache
Diese Abhandlung wird - in überarbeiteter
Form - Teil des Buchs "Esperanto - eine Chance für Europa":
http://home.t-online.de/home/Ulrich.Matthias/chance.htm
Einleitung
"Die Idee für eine gemeinsame europäische Währung gibt es seit über 30 Jahren", schrieb der Spiegel am 9. August 2001 (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,144578,00.html).
Wenig bekannt ist, dass die Idee des Euro nicht erst nach dem zweiten Weltkrieg geboren wurde. Bereits Victor Hugo (1802-1885) träumte von einer gemeinsamen europäischen Währung, und ab dem Jahr 1920 engagierte sich der rumäniendeutsche Verleger Josef Zauner (1895-?) für deren Einführung.
1. Victor Hugo und die "absurde Vielfalt der Währungen"
Victor Hugo gilt als Urheber der Idee der "Vereinigten Staaten von Europa". In einem Brief aus dem Jahr 1855 sprach er auch von der Idee einer gemeinsamen europäischen Währung. Ein Artikel aus der Zeitung "Le Monde" vom 22.11.2001 beginnt mit den folgenden Worten:
2. Die erste neutrale internationale Währung: der Speso (1907)
Im Jahr 1907 schlug der französische Mathematiker René de Saussure die Einführung einer internationalen dezimalen Währung vor. Ein in England lebender deutscher Chemiker, Herbert F. Höveler (1859-1918) griff die Idee auf und gründete die "Chekbanko Esperantista" in London, die Überweisungen zwischen über 40 Ländern zu günstigen Konditionen ermöglichte. Sämtliche eingehenden Zahlungen wurden in die neutrale Währung "Speso" bzw. "Spesmilo" umgerechnet. Ein Spesmilo sind 10 Spescentoj, 100 Spesdekoj oder 1.000 Spesoj, entsprechend den Esperanto-Wörtern "mil" (tausend), "cent" (hundert) und "dek" (zehn).
Am 30. April 1914 verwaltete die Chekbanko Esperantista die Konten von 730 Personen in 43 Ländern. Der erste Weltkrieg brachte jedoch die Aktivitäten dieser internationalen Bank weitgehend zum Erliegen, und nach dem Tod Hövelers am 1. September 1918 fand sich niemand, der seine Arbeit fortsetzte.
(Quelle: Enciklopedio de Esperanto, Budapest 1933, S. 96-97, 224, 499)
3. Josef Zauner - Pionier des Euro und der Europäischen Union
Schon der Erfinder des Esperanto, Ludwig Zamenhof (1859-1917), hatte sich 1915 während des ersten Weltkriegs in seinem "Aufruf an die Diplomaten" für die Schaffung der "Vereinigten Staaten von Europa" ausgesprochen:
Es wäre am besten, wenn wir anstelle von verschiedenen großen und kleinen europäischen Staaten einmal entsprechend ihrer Größe geographisch angeordnete "Vereinigte Staaten von Europa" hätten.
(L. L. Zamenhof, Originala Verkaro, hrg. J. Dietterle, Leipzig 1929, S. 355).
Die Deutsche Esperanto-Bibliothek in Aalen besitzt jedoch ein Originalexemplar der 1931 in Timisoara (Rumänien) erschienenen aktualisierten Version "Der Weg zur Europa-Partei. (Der Ausweg USE)".
3.1. Das USE-Programm und die gemeinsame Währung
In dieser 36-seitigen Broschüre wird eingangs das USE-Programm vorgestellt:
Auf Seite 11-12 erläutert Zauner:Die Leitsätze des USE-Programms sind:1. Das Hauptprinzip: die Schaffung je größerer Wirtschaftsgebiete
2. Es ist für Europa eine Notwendigkeit, dass im vereinigten europäischen Wirtschaftsgebiete sowohl Großbritannien, wie auch Russland mitinbegriffen sei.
3. Die Basis der administrativen Organisation der USE sei die größtmögliche Autonomie der einzelnen Staaten, Provinzen und Städte.
4. Einheitlich, bzw. gemeinsam sei in den USE:
das Geld,
die Armee,
die Zoll- und
Außenpolitik.5. Die offizielle Hilfssprache für Europa sei die "europäische" Sprache (Esperanto).
Ebenfalls um das Jahr 1930 herum gab Zauner eine Postkarte heraus, in der er die Europäer in Esperanto aufrief, neben einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftszone und einem europäischen Parlament auch eine gemeinsame europäische Währung zu fordern. Ein 1934 abgestempeltes Exemplar dieser Postkarte wurde von der Vereinigung PROMEURO im Internet veröffentlicht ("Illustration 1"):Um zu einer gemeinsamen einheitlichen europäischen Valuta zu kommen (derzeit mehr als 20!), muss Europa sich vorher politisch finden. Dass das europäische Valuta-Chaos eine einheitliche Valuta ablösen wird, ist wahrscheinlich, weil auch eine wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit unausbleiblich ist. Ein Ansatz zu einer Europäischen Zentral-Staatsbank bedeutet die Gründung der B. I. Z. (Bank für Internationale Zahlungen), deren Aufgabe derzeit zwar eine andere ist, aber in der Zukunft geeignet erscheint, die Rolle der Zentral Notenbank Europas zu spielen.
Diese Postkarte ist der älteste bekannte Aufruf für eine gemeinsame europäische Währung.
3.2 Die USE und die Paneuropa-Union
Die Organisation USE, die von 1930 bis ca. 1935 auch eine eigene Zeitschrift mit dem Titel "USE-EHO" herausgab, ist als Gegenbewegung zur Paneuropa-Union zu sehen. Deren Gründer, Graf Richard Coudenhove-Kalergi (1894-1972), hatte sich für eine europäische Einigung ohne Großbritannien und Russland ausgesprochen. Während Coudenhove-Kalergi einer Zusammenarbeit mit Russland skeptisch gegenüberstand - er sprach vom elementaren Hass Sowjetrusslands gegen die gesamte europäische Lebensform - empfand Zauner trotz des "Terrors" der Sowjetregierung Sympathie für das russische Volk und wünschte nicht zuletzt auch im Hinblick auf die "40 % Minderheiten" unter den 150 Millionen Bewohnern der Sowjetunion einen Anschluss dieses Reiches an die Vereinigten Staaten von Europa. Wenn das übrige Europa aufgrund seines wirtschaftlichen Zusammenwachsens einen Aufschwung erlebe, könne bald auch "die allgemeine Unzufriedenheit - die Nahrung des Kommunismus - verschwinden", was der Vereinigung mit Russland den Weg ebne.
Doch nicht nur in diesem Punkt äußerte sich Zauner kritisch über die Paneuropa-Union. In der Einleitung zu seiner Broschüre schreibt er:
Um schon hier auf den Leitgedanken dieser Broschüre hinzuweisen, sei erwähnt, dass, meiner Ansicht nach, die Lösung des europäischen Problems von "unten" aus, bei den Wähler-Massen - dem Fundament jeder demokratischen Politik - begonnen werden muss.
3.3 Zauners Konzept von einer gemeinsamen Europäischen Sprache
Zauner sah in der "europäischen Sprache", wie er Esperanto nannte, eine entscheidendes Hilfsmittel auf dem Weg zur europäischen Einigung:
Diese für viele Nicht-Europäer unerklärlichen nationalen Verhältnisse sollen nun mit Hilfe der "europäischen" Sprache verschwinden. Die "Giftzähne" der Chauvinisten sollen mit Hilfe dieser Sprache gezogen und dadurch die Wege einer europäischen Zusammenarbeit geebnet werden. (...)
Ohne eine einheitlich übergeordnete Hilfssprache dürfte es schwerlich möglich sein, die Europäer zu einer Zusammenarbeit zu bringen; die wichtigste Aufgabe dieser Hilfssprache ist, die unerlässliche Vorbedingung der europäischen Kooperation zu schaffen: die europäische Solidarität, die europäische Gesinnung.
Das Allerschlimmste bei einer derartigen Lösung des Sprachenproblems wäre aber der Umstand, dass die kleinen Nationen "en bloc" zu Minderheiten werden würden, die selbst durch eine rasche Erlernung der auserwählten Sprache den Vorsprung der Bevorzugten nicht einholen könnten.
Von einer gerechten Lösung könnte also in einem solchen Falle nicht gesprochen werden.
3.4 Die Europa-Idee in "Zeiten der unduldsamen Regimes"
Josef Zauner war ein entschiedener Gegner nationalistischer Bestrebungen. Doch die Idee des vereinten Europas lag ihm so sehr am Herzen, dass er sich bemühte, sie in einer Form zu propagieren, dass sie letztlich auch im Hitler-Deutschland Zulauf finden kann. Im Jahre 1935 oder 1936 gab er in Timisoara eine 32-seitige Broschüre mit dem Titel "Genf oder Europa-Centro?" heraus, deren möglicherweise einziges erhaltenes Exemplar heute in der Deutschen Esperanto-Bibliothek in Aalen zu finden ist.
In der Einleitung schreibt Zauner:
Auf der den zweiten Umschlagseite der Broschüre stellt Zauner wieder das unveränderte USE-Programm vor, in dem er auch von der gemeinsamen europäischen Währung spricht.
Um jedoch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein großer Teil der potentiellen Leserschaft nun in einem nationalsozialistischen Staat lebt, stellt er dem USE-Programm die folgende, aus heutiger Sicht enttäuschende Bemerkung voran:
4. Von der gemeinsamen Währung zur gemeinsamen Sprache
Zauner bezeichnete sich als Optimisten: "Ich glaube an die Macht der Ideen und bin überzeugt, dass, trotz der vielen Skeptiker, Pessimisten, Miesmacher sich doch ein positivgerichteter, schaffensfreudiger Geist ins Leben rufen lässt, der stark genug sein wird, um all das aus dem Weg zu räumen, was die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa hemmen oder verhindern würde. (...) Ich kann nicht umhin, trotz Spengler und anderen Schwarzsehern, glaube ich an die große Zukunft Europas."
Zauners Vision von einer gemeinsamen europäischen Währung ist Wirklichkeit geworden. Eine gemeinsame neutrale Sprache fehlt hingegen bislang noch.
Einige Politiker der Nationalstaaten wie etwa der frühere deutsche Bildungsminister Jürgen Rüttgers auf seiner Rede auf dem ZEI-Europaforum am 16.09.1998 sehen einen Ausweg im Englischen, das für die Europäer keine Fremdsprache bleiben, sondern selbstverständliche Zweitsprache werden soll. Europa-Politiker plädieren hingegen gewöhnlich für die Nutzung zahlreicher gleichberechtigter Amtssprachen, da sie in einer noch stärkeren Fixierung auf das Englische eine Gefahr für die Gleichberechtigung der europäischen Völker oder für die kulturelle Vielfalt sehen. Auch wenn sie es vielleicht nicht gerne zugeben, halten auch sie es für akzeptabel, wenn aus pragmatischen Gründen die englische Sprache in der EU immer wieder bevorzugt wird.
Auf der Abschlusskonferenz des "Europäischen Jahrs der Sprachen" am 16.11.2001 in Berlin erklärte Prof. Dr. Jürgen Trabant von der Freien Universität Berlin:
Auf dem Heidelberger Pädagogischen Kongress im Jahre 1992 hielten Pädagogen Esperanto als Schulfach für ungeeignet, da der Sprache "der landeskundliche Hintergrund" fehle. Esperanto-Lehrbücher haben gewöhnlich nicht einfach ein bestimmtes Land oder einen bestimmten Kulturkreis zum Thema. So werden in dem populären, in Ungarn herausgegebenen Esperanto-Lehrwerk "Tendaraj tagoj" verschiedene Länder wie Belgien, die Schweiz oder Japan näher vorgestellt, und als Währung wird dort in den Auflagen von 1991 und 1993 u.A. der "Stelo" benutzt, eine nach dem zweiten Weltkrieg von Esperanto-Sprechern vorgeschlagene internationale Esperanto-Währung (in der es tatsächlich auch Münzen gibt, 1960 von der Universala Ligo herausgegeben). Eine bessere Vorbereitung auf ein vereinigtes Europa war kaum denkbar.
Zu wünschen ist, dass der Erfolg des Euro die Europäer ermutigt, auch in sprachlicher Hinsicht einen Schritt aufeinander zuzugehen. Es gibt viel zu gewinnen: eine europäischen Solidarität und eine europäische Gesinnung, wie bereits Zauner es formulierte. Esperanto, neutral und leicht erlernbar, steht für grenzenlose Verständigung und grenzenlose Chancengleichheit.
Wiesbaden, 26. Januar 2002